Lesen Sie die englische Übersetzung: Diseases of the Canine and Feline Lids
Lidverletzungen
Lidrandverletzungen sollten so bald als möglich chirurgisch versorgt werden, um einen glatten Lidrand wiederherzustellen. Anderenfalls könnten Narben zu chronischer Konjunktiva-oder Hornhautirritation führen. Vorsichtiger und atraumatischer Umgang mit dem Gewebe sind notwendig, um Nekrosen der Wundränder zu vermeiden. Eine Achter-Tour-Naht adaptiert den Lidrand. Die Autorin bevorzugt Vicryl® 6-0 als Nahtmaterial für die intramarginale Adaptation und Seide 6-0 für die Hautnaht.
Distichien, Ektope Zilien
Distichien sind Haare, die aus den Öffnungen der Meibomschen Drüsen wachsen. Einzelne, weiche, nicht irritierene Distichien sind Zufallsbefunde bei vielen Hunden, besonders beim Cocker Spaniel, Boxer und Pudel. Bei einigen Rassen wie dem Flat Coated Retriever, dem Grossen Schweizer Sennenhund, dem Eurasier, dem Chow Chow etc. können sie borstiger sein und klinische Beschwerden wie Epiphora, Blepharospasmus und Hornhautulzera hervorrufen. Sie treten uni- und bilateral an Ober- und Unterlidern auf. Beim Shi Tzu werden Distichien und ektope Zilien in Verbindung mit hochgradigem Sekretstau in den Meibomschen Drüsen beobachtet.
Ektope Zilien kommen ebenfalls aus den Meibomschen Drüsen, wachsen aber durch die Konjunktiva Richtung Hornhaut und führen zur kornealer Irritation, nicht selten zu Ulzerationen. Sie treten bei allen Rassen auf. Einige Rassen wie der Flat Coated Retriever und manche brachycephale Hunde (Shi Tzu, Mops etc.) scheinen eine höhere Inzidenz aufzuweisen. Eine Erblichkeit wurde nicht nachgewiesen, ist aber aufgrund der höheren Inzidenz bei einigen Rassen nicht unwahrscheinlich. Distichien und ektope Zilien treten nur sehr selten bei Katzen auf.
Sofern Distichien oder Zilien irritieren, sollten sie chirurgisch behandelt werden. Elektro- und Kryoepilation wurden beschrieben. Die bevorzugte Technik der Autorin sowohl für Distichien als auch für ektope Zilien ist die "En-Bloc-Resektion" der Haarfollikel von konjunktival.
Entropium
Zahlreiche Hunderassen zeigen während des Wachstums eingerollte Unter- oder Oberlider. Schädelform, Konformation, Gewicht, Ausdehnung und Falten der Haut am Kopf tragen zur Ausprägung eines Entropiums bei. Dolichocephale Hunden haben meist ein Entropium der Unterlider. Beim Shar Pei können alle vier Lider ein Entropium aufweisen. Bei Riesenrassen (Deutsche Dogge, Bull Mastiff etc.) tritt eine kombinierte Lidfehlstellung mit Entropium, Ektropium und überlanger Lidspalte auf. Ein polygenetischer Erbgang ist wahrscheinlich. Züchterische Massnahmen sollten die Schädelform sowie die Konformation der periokularen Haut berücksichtigen. Das Unterlidentropium des Hundes kann auch sekundär bei chronischer, Konjunktivitis auftreten. Diese können beim Hund im Rahmen einer Allergie auftreten.
Auch andere konjunktivale und korneale Irritationen können ein spastisches Entropium hervorrufen.
Beim Cocker Spaniel sowie einigen anderen Rassen dehnt sich die Haut an Kopf und Stirn im Alter. Dies kann zu einem Entropium der Oberlider führen.
Bei Katzen gibt es ein Entropium nasale bei brachycephalen Rassen und ein Unterlidentropium sekundär zu chronischer Konjunktivitis. Auch bei alten Katzen mit Enophthalmus infolge Atrophie des orbitalen Fettes kann es zum sekundären Unterlidentropium kommen.
Eine chirurgische Korrektur ist notwendig, wenn die Lidfehlstellungen Irritationen hervorrufen. Viele verschiedene chirurgische Techniken wurden beschrieben. Beim Welpen kann "tacking" ausreichend sein.
Bei ausgewachsenen Tieren bevorzugt die Autorin beim Unterlidentropium die Operationsmethode nach Hotz Celsus mit oder ohne Keilresektion des temporalen Unterlids. Für das Oberlidentropium eignet sich eine Modifikation der Methode nach Stades. Beim spastischen Entropium kann auch beim ausgewachsenen Tier "tacking" mit oder ohne Bandagelinse angewandt werden, um vorübergehend den Spasmus zu beheben während die auslösende Ursache (Konjunktivitis, Ulcus corneae etc.) behandelt wird. Tritt das Entropium sekundär zu einer chronischen Konjunktivitis auf, ist weitere Diagnostik (zytologische, histopathologische Untersuchung etc.) zu empfehlen.
Ectropion
Bei Hunderassen mit lockerer, periokularer Haut kann es zum hängenden Unterlid kommen, wodurch die Bindehaut exponiert ist und mit chronischer Konjunktivitis reagiert. Bei einigen Rassen (Basset Hound, Blood Hound etc.) gehört dies fast zum Rassenstandard. Bei chronischer Irritation ist eine einfache Keilexzision indiziert.
Weite Lidspalte mit Medialem Entropium des Unterlides und/oder Trichiasis
Bei brachycephalen Rassen treten extrem weite Lidspalten auf. In Kombination mit einer flachen Orbita führt die Exposition der Hornhaut zu chronischer Keratitis. Bei einigen Rassen (Shi Tzu, Lhasa Apso, Pekinese etc.) kommt Trichiasis (Haare der Haut irritieren Kornea und/oder Konjunktiva) hinzu. Beim Mops tritt dies häufig kombiniert mit einem nasalen Entropium der Unterlider auf. Diese Lidkonfiguration führt im Zusammenhang mit Tränenfilmstörungen zu einer Verstärkung der pigmentierenden Keratitis, für die der Mops prädisponiert ist. Die chirurgische Korrektur ist in diesem Fällen notwendig. Eine modifizierte mediale Kanthusplastik bringt den Patienten nicht nur erhebliche Erleichterung sondern hat einen hervorragenden Langzeiteffekt. Wird die Lidkorrektur beim jungen Hund (unter einem Jahr) durchgeführt, können irreversible Hornhautschäden vermieden werden.
Chalazion /Hordeolum
Ein Sekretstau der Meibomschen Drüsen mit oder ohne bakteriellen Infekt führt zu Schwellung und Entzündung der betroffenen Drüse und des umgebenen Gewebes. Die Therapie besteht in der Drainage des Sekrets über eine Stichinzision gefolgt von lokalen Antibiotika und Steroiden sowie systemischer Gabe von NSAIDs. Warme Kompressen fördern die Durchblutung und beschleunigen den Heilungsprozess.
Meibomitis
Multiple Entzündungen der Meibomschen Drüsen mit Staphylokokkenbeteiligung führt zu Schwellung, Juckreiz, Schmerzen, Sekretion und Konjunktivitis. Eine bakteriologische Untersuchung mit Resistenztest weist die verursachenden Keime nach und unterstützt die Wahl des Antibiotikums. Lokale Gaben von Antibiotika kombiniert mit Steroiden als Augentropfen als auch systemische Antibiotika sind notwendig. Warme Kompressen sind sinnvoll. Bei Hypersensitivität gegen bakterielle Antigene kann eine systemische Prednison Gabe notwendig werden. Zudem kann eine Vakzine eingesetzt werden. Eine längerfristige Therapie ist meist indiziert.
Neoplasia
Bei älteren Hunden kommen häufig Adenome der Meibomschen Drüsen vor. Die Autorin empfiehlt eine frühzeitige v-förmige Exzision des veränderten Lidrandes. Wird abgewartet, wächst der Tumor. Dann werden invasivere Eingriffe mit Verschiebeplastiken notwendig. Andere mögliche Tumorarten am Lid des Hundes sind Melanom, Mastozytom und Histiozytom. Seltener kommen hochmalige Tumoren wie Sarkome oder Karzinome vor.
Im Gegensatz zum Hund sind Lidrandtumoren bei der Katze seltener. Sie sind meist maligne. Unter anderem treten Plattenepithelkarzinom, Mastozytom und Lymphom auf. Vor der chirurgischen Exzision ist eine Biopsie immer indiziert, da nicht alle Tumortypen chirurgisch behandelt werden oder Begleittherapien notwendig sind.
Feline Periokulare Hydrocystadenome
Bei älteren Katzen, besonders bei Perserkatzen treten multiple periokulare Zysten auf. Die Zystenwand ist dünn und fast transparent. Der Zysteninhalt ist eine honigfarbene, visköse Flüssigkeit. Zysten können auch an den Lefzen auftreten. Eine Therapie ist nur dann indiziert, wenn die Zysten zur Irritation führen. Eine Resektion ist aufgrund der Ausdehnung der multiplen Zysten meist nicht möglich. Die Drainage der Zystenflüssigkeit über eine Punktion mit einer 20G Kanüle ist meist ausreichend. Eine mögliche Kryotherapy nach der Drainage wurde vereinzelt berichtet, kontrollierte Studien liegen hierzu jedoch nicht vor.