Tony M. Glaus1, PD, Dr. med. vet., DACVIM, DECVIM-CA; Gerhard Wess2, Dr. med. vet., DACVIM, DECVIM-CA
Lesen Sie die englische Übersetzung: Congestive Heart Failure in Cats - When HCM is Not HCM
Definition und Formen der primären, genetisch bedingten HCM
Die HCM ist eine klinisch heterogene genetische Herzerkrankung, die in den meisten Fällen autosomal dominant vererbt wird und nach AHA zu den primären genetischen Kardiomyopathien gehört.1 Die HCM ist morphologisch charakterisiert und definiert als hypertrophierter, nicht dilatierter linker Ventrikel (LV) ohne zugrundeliegende systemische oder kardiale Erkrankung (wie z.B. systemische Hypertonie, (Sub-) Aortenklappenstenose). Die HCM ist eine progressive Erkrankung, welche schlussendlich zur Stauungsinsuffizienz oder zum plötzlichen Herztod führt. Die Diagnose wird üblicherweise mit 2-dimensionaler Echographie gestellt, basierend auf hämodynamisch ungeklärter LV Hypertrophie (LVH), meist bei kleinem Kammerlumen.1
Beim Mensch ist, wie bei der Katze, neben dem klinischen auch das echokardiographische Erscheinungsbild sehr heterogen, einerseits bezüglich des Schweregrades der Hypertrophie und des Ausmasses an myokardialer Hyperechogenität, andrerseits bezüglich der Lokalisation der Hypertrophie. Es wird die symmetrische und die assymetrische Hypertrophie unterschieden. Erstere betrifft homogen den gesamten linken Ventrikels; die assymetrische Hypertrophie kann selektiv nur die Papillarmuskeln, die freie Wand, den Apex, das Septum oder fokal nur das Septum unterhalb der Aortenklappe betreffen.2 Bei jeder Form von Septumhypertrophie kann durch sogenannte "systolische anteriore Motion der Mitralklappe" (SAM) der linksventrikuläre Ausflusstrakt in Systole verlegt werden, was als obstruktive HCM (HOCM) bezeichnet wird. Diese sekundäre SAM kann durch zusätzliche Drucküberladung die linksventrikuläre Hypertrophie verschlimmern.
HCM SAM; SAM = HCM ?
Verschiedentlich wurde beobachtet, dass bei gewissen Katzen mit LVH die Hypertrophie zusammen mit SAM unter der Gabe von Betablockern verschwindet, und dass bei sehr jungen wie auch bei recht alten Katzen mit (einem neuen) Herzgeräusch bei der echokardiographischen Untersuchung ein SAM ohne LVH gefunden wird. Es scheint, dass also SAM primär vorliegen und die LVH sekundär entstehen kann. Ein ähnliches Phänomen, obgleich selten, ist auch beim Hund bereits 1998 von D'Agnolo et al. beschrieben worden. Es stellt sich die Frage nach der Entstehung und der korrekten Klassifizierung dieser Entität. Experimentell konnte durch Versetzen des anterioren Papillarmuskels SAM ausgelöst werden.3 Möglicherweise ist die Genese des "primären SAM" bei ganz jungen und bei älteren Katzen nicht die gleiche. Bei jungen Katzen wäre eine kongenital leicht veränderte Anatomie des septalen Papillarmuskels mit resultierender veränderter Aufhängung der Mitralklappe denkbar; diese Problematik sollte wohl besser unter Mitralklappendysplasie klassifiziert werden. Bei älteren Katzen mit neuem Herzgeräusch müssen demgegenüber Umbauvorgänge im Myokard, insbesondere im septalen Papillarmuskel, vermutet werden, beispielsweise sekundär zu entzündlichen, toxischen oder ischämischen Insulten. Diese Problematik müsste wohl den sekundären Kardiomyopathien zugeordnet werden.
Myokarditis versus HCM
Eine Myokarditis wird beim Mensch bereits seit Jahren als wichtiger Auslöser einer gestörten Myokardfunktion und Herzdilatation erkannt. Viele Fälle einer DCM sind faktisch die Folge einer Myokarditis. Dieser Zusammenhang ist beim Mensch etabliert und die Myokarditis ist demzufolge eingeteilt unter den primär gemischten CM.1 Auch bei der Katze ist die Myokarditis schon lange eine bekannte Entität. Interessanterweise wird bei der Katze mit Myokarditis echokardiographisch oft nicht das Bild einer DCM sondern einer HCM gefunden. In einer kürzlichen Arbeit wurden Katzenherzen mit der Diagnose einer Kardiomyopathie nochmals pathologisch untersucht. Bei einem hohen Prozentsatz der Fälle wurde bei der Reevaluation eine Myokarditis und mittels PCR Parvovirus gefunden.4Wir haben in letzter Zeit verschiedentlich Katzen untersucht, welche assoziiert mit einer Narkose, einer Operation oder einer anderen Erkrankung ein Lungenödem entwickelten und echokardiographisch eine LVH und linksatriale Dilatation typisch für eine HCM zeigten. Die unterstützende Behandlung mit Diuretika, Sauerstoff und Antibiotika führte zu einer Elimination der Kongestion und klinischer Normalisierung. Bei wiederholter Echokardiographie konnte eine sukzessive Regression der Hypertrophie und atrialen Dilatation festgestellt werden. Diese Präsentation und der Verlauf sprechen gegen eine HCM, sondern für eine akute reversible Noxe, beispielsweise eine infektiöse oder eine toxische Myokarditis.
Steroid-induzierte "HCM"
Ein ähnliches Bild mit akutem Herzversagen wie bei der genannten vermuteten Myokarditis wurde auch im Zusammenhang mit Glukokortikoidgabe gefunden. Katzen, welche initial aufgrund echokardiographischer LVH und linksatrialer Dilatation als HCM diagnostiziert worden waren, erholten sich nicht nur klinisch sondern normalisierten sich auch echokardiographisch.5 Versuche, diese Form der Kardiomyopathie experimentell auszulösen, scheiterten jedoch. Es stellt sich deshalb die Frage, ob eine Prädisposition für diese beobachtete Reaktion auf Glukokortikoide bestehen muss.
Hyperthyreose-induzierte Kardiomyopathie
Schilddrüsenhormone haben wichtige metabolische und kardiovaskuläre Wirkungen. Für den resultierenden erhöhten Grundumsatz muss das Herzminutenvolumen gesteigert werden. In den peripheren Gefässen bewirken Schilddrüsenhormone eine Verminderung des Widerstandes. Dies führt direkt zu einem erhöhten Herzauswurf. Am Myokard bewirken sie eine Induktion multipler Gene, was unter anderem zu einer Hypertrophie führt. Echokardiographisch ist bei einer Hyperthyreose aufgrund dieser Mechanismen eine Volumenüberladung, respektive exzentrische Hypertrophie zu erwarten. Teils ist jedoch auch eine konzentrische Hypertrophie beschrieben worden.6
Herzmuskelverdickung infolge Infiltration
Infiltrative Herzmuskelerkrankungen wie Amyloidose sind in der Veterinärmedizin nicht beschrieben worden. Selten wird jedoch eine diffuse neoplastische Infiltration bei einem Lymphosarkom gefunden, welche sich echokardiographisch wie eine LVH präsentieren kann.7
HCM als Ursache einer systemischen Hypertonie (?)
Eine HCM wurde verschiedentlich differentialdiagnostisch als Ursache einer systemischen Hypertonie mit Endorganschäden beschrieben. Nachdem jedoch der Blutdruck eine Funktion von Herzauswurf und peripherem Widerstand ist, gibt es keine rationale Erklärung für diesen Zusammenhang. Eine LVH mit oder ohne Zeichen einer Stauung bei Vorliegen einer relevanten Hypertonie ist deshalb als Folge und nicht als Ursache der Hypertonie zu sehen. Umgekehrt muss bei Vorliegen einer LVH eine systemische Hypertonie als Ursache der Hypertrophie ausgeschlossen werden.
Wenn eine HCM Aussieht Wie eine DCM, sogenannte "Burn-out" HCM
In einigen Fällen kann im Krankheitsverlauf einer felinen HCM beobachtet werden, wie sich der Herzmuskel teilweise wieder verdünnt, es zu einer Volumenüberladung des linken Ventrikels kommt und sich eine systolische Dysfunktion entwickelt.8 Von einer DCM kann dieses Krankheitsbild nur schwer unterschieden werden, teilweise liegt aber noch eine LVH vor. Ist dies nicht mehr der Fall, so kann die Diagnose einer Burn-out HCM nur gestellt werden, wenn bei einer früheren Untersuchung eine typische HCM diagnostiziert worden war.
Fazit
Basierend auf diesen Ausführungen sind bei der echokardiographischen Feststellung einer LVH bei einer Katze mit kongestivem Herzversagen oder anlässlich einer Vorsorgeuntersuchung folgende überlegungen anzustellen, bevor eine HCM diagnostiziert wird:
Ist die Wandverdickung nur eine Pseudohypertrophie infolge Hypovolämie ?9
Liegt eine fixe oder dynamischen (Sub-) Aortenstenose vor ?
Liegt eine systemische Hypertonie vor ?
Wurden anamnestisch Glukokortikoide verabreicht, die Katze vor kurzem in Narkose gelegt oder liegt eine systemische, potentiell bakteriämische Erkrankung vor ?
Liegt eine Hyperthyreose vor ?
Falls eine dieser Fragen bejaht werden kann, sollte eine sinngemässe Behandlung eingeleitet und der Verlauf der kardialen Veränderungen gut überprüft werden. Falls die echokardiographischen Veränderungen reversibel sind, handelte es sich nicht um eine primäre genetische HCM.
Zusammenfassend können sich verschiedene, sehr unterschiedliche Herzmuskelerkrankungen klinisch und echokardiographisch wie eine HCM präsentieren. Erst der klinische und echokardiographische Verlauf erlauben eine einigermassen sichere ätiologische Diagnose und die Differenzierung einer HCM von einer sekundären LVH. Bevor die Diagnose einer HCM, also einer genetisch bedingten, progressiven, terminal kongestiven Herzerkrankung gestellt wird, sollten heilbare Erkrankungen in Betracht gezogen und sinngemäss behandelt werden.
Literature
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