Konventionelle und Doppler Echokardiographie für die Diagnose des kongestiven Herzversagens
Karsten E. Schober, Dr. med. vet., Dr. habil., DECVIM-CA (Cardiology)
Lesen Sie die englische Übersetzung: Conventional and Doppler Echocardiography for Diagnosing Congestive Heart Failure
Einleitung
Die kongestive Herzinsuffizienz (KHI) ist ein häufiges und nicht selten tödlich endendes klinisches Syndrom bei Hund und Katze welche durch kardiale Dysfunktion, neurohormonale Aktivierung, Natrium- und Wasserre-tention, und Erhöhung des linksventrikulären (LV) Füllungsdruckes (LVFD) gekennzeichnet ist. In der Praxis kommt KHI beim Hund am häufigsten sekundär zu chronisch-degenerativer Mitralklappenerkrankung (CDM) und dilatativer Kardiomyopathie (DCM) und bei der Katze in Folge von hypertropher Kardiomyopathie (HCM) vor. Die frühzeitige Erkennung von KHI oder kompensierter Herzerkrankung mit erhöhtem Füllungsdruck (FD) ist von grosser klinischer Bedeutung. Lethargie, Belastungsintoleranz, und Schwäche und mehr spezifisch Tachypnoe, Dyspnoe, pulmonale Knistergeräusche, Dilatation der Jugularvenen und ein S3-Galopp können hinweisend auf KHI sein obgleich die Spezifität dieser Befunde begrenzt ist. Das Röntgen des Brustkorbes ist die in der Kleintier-medizin am häufigsten angewandte Methode zur Diagnose der KHI und wird aus klinischer Sicht als "Goldstan-dard-Methode" angesehen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die diagnostische Velässlichkeit des Thorax-röntgens durch Begleiterkrankungen beeinträchtigt werden kann. Zum Beispiel ist die diagnostische Sensitivität and Spezifität des Thoraxröntgens bei Anwesenheit von Erkrankungen des Repirationstraktes zum Teil deutlich herab-gesetzt. Ausserdem ist die Interpretation von Röntgenaufnahmen subjektiv und kann, je nach Begutachter, erheblich schwanken. Schliesslich sollte berücksichtigt werden, dass Röntgenaufnahmen des Thorax insbesondere für Tiere mit kongestivem Herzversagen sehr stresshaft sein können, was durchaus die Schlussfolgerung zulässt, dass Thorax-röntgen nicht generell als Initialdiagnostik bei instabilen Patienten mit Dyspnoe zu empfehlen ist. Ausserdem ist zu bemerken, dass in einigen europäischen Ländern aus strahlenschutz-relevanten Gründen Tiere während des Röntgens nicht von Haltepersonal fixiert werden dürfen was oftmals Sedation oder sogar Anästhesie erfordert. Dieses Vorgehen kann wiederholtes Röntgen von hämodynamisch instabilen Patienten erheblich erschweren. Daher bedarf es zur besseren Diagnosestellung, zur frühzeitigen Erkennung und zum optimalen therapeutischen Manage-ment eine einfache, quantifizierbare, nichtinvasive diagnostische Methode zur Bestimmung des Volumenstatus eines Patienten und zur Erkennung erhöhten LV Füllungsdruckes.
Die Pathogenese des kardialen Lungenödems wird massgeblich durch die Stärke der Volumenüberladung und resultierend der Höhe des LVFD bestimmt. Die Einführung neuer Doppler-echokardiographischer (DE) Methoden hat in den vergangenen 10 Jahren zu einem erheblich gestiegenen Interesse betreffs nichtinvasiver Vorhersage erhöhten LVFD und der KHI geführt. Insbesondere der E:Ea-Quotient (E, maximale frühdiastolische Bluteinstromgeschwindigkeit; Ea, maximale frühdiastolische Geschwindigkeit des Mitralklappenringes) hat sich als zuverlässig in der Verhersage erhöhten LVFD beim Menschen erwiesen. Kritisch hierbei ist jedoch zu bemerken, dass jüngste invasive und klinische Validierungsstudien des Autors, durchgeführt an Versuchhunden und Hunden mit CDM oder DCM, den universellen Nutzen von E:Ea als Variable des FD eher in Frage gestellt haben, da in diesen Studien nicht E:Ea, sondern die Isovolumische Relaxationszeit (IVRZ) und der Quotient aus E und IVRZ (E:IVRZ) am besten zur Vorhersage des LVFD und des KHI-Status geeignet waren. Die folgenden Abschnitte fassen die diagnostische Wertigkeit häufig genutzter DE Variablen zur Abschätzung der LVFD und des KHI-Status bei Hund und Katze zusammen.
Konventionelle Echokardiographische Variablen der Khi
Konventionelle echokardiografische Variablen wie beispielsweise Kammerdurchmesser, Verkürzungsfrak-tion, Wanddicken, oder EPSS korrelieren weder zum LVFD noch zum KHI-Status und können daher nicht zur nichtinvasiven Vorhersage der kongestiven Herzinsuffizzienz herangezogen werden.
Doppler Echokardiographische Variablen der Khi
Transmitraler Blutfluss
Traditionelle Variablen zur Abschätzung des LVFD sind: Maximalgeschwindigkeit von E, E:A-Verhältnis, Dezelerationszeit von E, und die diastolische Funktionsklasse (1: Normale Füllung, 2: Relaxationsstörung, 3: Pseudonormale Füllung und 4: Restriktiver Fluss). Allerdings muss bei der Interpretation der transmitralen Blut-flussmuster berücksichtigt werden dass die Füllungsgeschwindigkeiten nicht ausschliesslich vom FD, sondern auch vom ventrikulären Saugmechanismus ("LV suction"), der frühdistolischen Rückstellbewegung ("untwisting"), von der LV-Compliance, der LA-Funktion, dem Füllungsvolumen, der Herzfrequenz und dem Rhythmus abhängen. Daher ist die diagnostische Genauigkeit transmitraler Blutflussvariablen eingeschränkt und unter den folgenden Umständen sogar stark limitiert: a) bei normaler systolischer LV Funktion; b) bei stark erhöhtem Füllungsvolumen (z.B. bei CDM); c) bei Vorhandensein von besonders starker Relaxationsstörung (z.B. bei Ischämie oder HCM); oder d) Fusion oder Abwesenheit diastolsicher Blutflusswellen (z.B. bei Vorhofflimmern). Vom Autor jüngst durchgeführte experimentelle und klinische Studien an Hunden und Katzen haben die begrenzte diagnostische Wertigkeit einzelner transmitraler Blutflussvariablen belegt. Allerdings hat die diastolische Funktionsklasse basierend auf der Kombination von E:A und E:Ea vielversprechende Ergebnisse in the DE Vorhersage der KHI bei Hund und Katze gezeigt.
Isovolumische Relaxationszeit (IVRZ)
Die IVRZ ist primär ein Index der LV-Relaxation, kann aber unter Umständen von erhöhtem FD so stark beinflusst werden, dass sie zu einem Index des Füllungsdrucks mutiert. Dies ist in experientellen und klinischen Studien beim Hund vom Autor gezeigt worden. Daher ist die Interpretation der IVRT bi-modal: 1) IVRZ als Index der Relaxation wenn die systolische Ventrikelfunktion normal, das Füllungsvolumen normal oder reduziert, und die LV-Compliance vermindert sind (z.B. bei HCM) oder 2) IVRZ als Index des FD wenn die systolische Funktion deutlich reduziert, das Füllungsvolumen erheblich erhöht, und die LV-Compliance normal oder erhöht sind (z.B. bei CDM oder dekompensierter DCM). Katzen mit HCM und mittelgradiger bis schwerer LV-Hypertrophie können trotz erheblich erhöhten LVFD eine normale oder verlängerte IVRZ haben. Allerdings zeigen die meisten Katzen mit HCM und KHI etweder eine niedrig-normale (40-50 ms) oder erniedrigte (< 40 ms) IVRZ.
Pulmonalvenenfluss (PVF)
Wenn der LVFP erhöht ist reduziert sich die Compliance des LV was wiederum zu einem erhöhten Druckan-stieg vor allen in End-Diastole führt. Die Konsequenz davon ist dass, solange die LA-Funktion normal ist, mit der LA-Kontraktion in End-Diastole weniger Blut antegrad in den Ventrikel und mehr Blut retrograd in die Pulmonalve-nen gepumpt wird. Dies wiederum führt zu einer Verkürzung der transmitralen A-Welle bei gleichzeitiger Verlänge-rung der AR-Welle des PVF. Das Verhältnis von A-Dauer zu AR-Dauer (Adur:ARdur) wird daher als Index des LVFP diagnostisch genutzt. Adur:ARdur ist besonders nützlich in der Diagnostik des KHI bei Hunden mit DCM und zur Diagnostik erhöhten LV-end-diastolischen Druckes bei Katzen mit HCM. Allerdings reduzieren technische Probleme beim Aufzeichnen und der Analyze der PVF-Muster seine diagnostische Brauchbarkeit.
Kombinierte Indizes
Der Grund kombinierte echokardiographische Variablen wie beispielsweise E:IVRZ oder E:Ea zu nutzen basiert auf der Idee den Einfluss der Relaxation auf eine Variable die hauptsächlich von Relaxation und FD beeinflusst wird zu "korrigieren". Dabei reduziert IVRZ (oder Ea) als Variable der Relaxation den Effekt der Relaxation auf E, einer Variable die hauptsächlich von Relaxation und FD beinflusst wird. Dies setzt allerdings voraus, dass IVRZ und Ea nicht oder lediglich minimal vom FD beinflusst werden (was nicht immer den Tatsachen entspricht - siehe Abschnitt zu IVRZ). Das E:Ea-Verhältnis hat besonders beim Menschen zur Abschätzung erhöhten LVFD diagnostische Bedeutung erlangt, wobei E:Ea < 8 und >15 erhöhten FD entweder sicher aus-schliessen oder bestätigen. Allerdings muss hinzugefügt werden, dass in den meisten Studien bei Patienten mit Herzerkrankung E:Ea in der "Grauzone" (zwischen 8 und 15) lag, was die Berücksichtigung weiterer Variablen zur Abschätzung des FD dringend erforderlich machte. Wir konnten in mehreren experimentellen und klinischen Studien nachweisen, dass zumindest beim Hund der E:IVRZ der Vorzug gegenüber E:Ea in der Prädiktion erhöhten LVFD oder des Vorhandensein KHI gegeben werden muss. Empfehlungen zur klinischen Anwendung von E:IVRZ und E:Ea bei Katzen können gegenwärtig nur mit erheblichem Vorbehalt gegeben werden. Im Gegensatz dazu haben klinische Studien and Hunden mit CDM und DCM und Katzen mit HCM den Nuzten der Berücksichtigung der Diastolischen Funktionsklasse in der Vorhersage des kongestiven Herzversagens bestätigt. Vor allem beim Hund mit DCM und Katzen mit Kardiomyopathie haben die Funktionsklassen 3 (Pseudonormale Füllung) und 4 (Restriktive Füllung) hohen diagnostischen Wert bei der Identifizierung von Tieren mit stark erhöhtem FD and KHI.
Diagnostische Entscheidungsgrenzen echokardiographischer Variablen in der Diagnostik erhöhten FD | KHI
|
LA-Grösse
|
E
(m/s)
|
E:A
|
Diastolische Funktion
|
Adur:ARdur
|
IVRZ
(ms)
|
E:IVRZ
|
E:Ea lat
|
Hunda
CDM
DCM
|
(LA:Ao)
> 2.52
> 2.46
|
> 1.10
> 1.05
|
>1.60
>2.00
|
Restriktiv
PSN, Restriktiv
|
N.N.
< 1.25
|
< 46
< 43
|
> 2.50
> 1.88
|
> 12.0
> 9.0
|
Katzeb
HCM
|
(LADs in mm)
> 17
|
> 1.00
|
>2.00
|
PSN, Restriktiv
|
< 0.90
|
< 40
|
> 1.85
|
> 15.0
|
a, Ergebnisse einer prospektiven Studie bei Hunden mit CDM (n=45) und DCM (n=18) und b, Ergebnisse einer retrospektiven Studie bei Katzen mit HCM (n=392) kürzlich durchgeführt vom Autor. PSN, pseudonormal. N.N., diagnostisch nicht nützlich. Es muss berücksichtigt werden, dass die angegebenen Entscheidungsgrenzen einen Kompromiss zwischen Sensitivität und Spezifität darstellen und daher nicht bei allen Patienten 100%-ig diagnostisch korrekt sind. Die Berücksichtigung mehrerer Variablen zur Diagnose der KHI wird daher vom Autor dringend empfohlen.
Literatur
Referenzen können auf Wunsch vom Autor angefordert werden.