Hilfreiche Laboruntersuchungen zur Diagnose von Erkrankungen des Verdauungstraktes
Jörg M. Steiner, Dr.med.vet., PhD, DACVIM, DECVIM-CA
Lesen Sie die englische Übersetzung: Helpful Laboratory Tests in the Diagnosis of Gastrointestinal Disorders
Einleitung
Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes sind sowohl beim Hund als auch bei der Katze häufig. Ziel einer klinischen Aufarbeitung eines jeden Falles ist eine akkurate Diagnosestellung. Dies bedarf der Anwendung von diagnostischen Tests. Funktionstests sind insbesondere von Interesse, da sie minimal invasiv, frei verfügbar, und relative billig sind.
Funktionstests zur Untersuchung des Intestinaltraktes
Folsäurekonzentration im Serum
Folsäure ist ein wasserlösliches Vitamin, das in den allermeisten der heutzutage kommerziell erhältlichen Hunde- und Katzenfutter reichlich vorhanden ist. Folsäure ist im Futter gewöhnlich als Folsäure Polyglutamat enthalten. Im proximalen Dünndarm werden die Glutamatreste durch eine spezifische Konjugase abgetrennt. Folsäure Monoglutamat wird dann durch spezifische Rezeptoren im proximalen Dünndarm absorbiert. Kommt es zu Erkrankungen des proximalen Dünndarms, so können entweder die Konjugasemoleküle oder auch die Rezeptoren zerstört werden. Wenn die Erkrankung schwergradig ist so kommt es zur Malabsorption von Folsäure und zum Verbrauch der Körperreserven dieses Vitamins. Wenn die Erkrankung und damit die Malabsorption von Folsäure längere Zeit anhält, kann es daher zur Erniedrigung der Folsäurekonzentration im Serum kommen. Auch bei diffusen Erkrankungen des Dünndarms kann es zu einer verminderten Folsäurekonzentration im Serum kommen, wenn der proximale Dünndarm vom Erkrankungsprozess betroffen ist. Bei Hunden, die an einer bakteriellen überwucherung des Dünndarms (SIBO) leiden, kann es dagegen zur Erhöhung der Folsäurekonzentration im Serum kommen. Viele Bakterienspezies sind in der Lage Folsäure zu synthetisieren und bei SIBO kommt es daher zu einer vermehrten Synthese von Folsäure im Dünndarm und nach einer gewissen Zeit zur erhöhten Folsäurekonzentration im Serum.
Cobalaminkonzentration im Serum
Auch Cobalamin (Vitamin B12) ist ein wasserlösliches Vitamin, welches vor allem in Fleisch vorzufinden ist. Diätische Mangelerscheinungen sind sehr selten, können aber bei Tieren vorkommen, die ausschließlich vegetarisch ernährt werden. Cobalamin ist an Nahrungsproteine gebunden und kann als solches nicht absorbiert werden. Im Magen kommt es zur Verdauung der Nahrungsproteine und Cobalamin wird freigesetzt. Das freigesetzte Cobalamin wird aber sofort wieder an ein anderes Protein, R-Protein oder Haptocorrin, gebunden und kann als solches nicht absorbiert werden.1 Im Dünndarm kommt es zur Verdauung des R-Proteins durch die Verdauungsenzyme des exokrinen Pankreas. Cobalamin wird freigesetzt und wird an den intrinsischen Faktor gebunden.1 Intrinsischer Faktor wird beim Menschen vor allem von der Magenschleimhaut sezerniert. Bei Hund und Katze kommt jedoch fast die gesamte Menge des intrinsischen Faktors vom exokrinen Pankreas.2 Die Cobalamin-Intrinsischer Faktor Komplexe werden dann durch spezifische Rezeptoren im distalen Dünndarm (Ileum) absorbiert. Erkrankungen des Ileums führen daher zur Malabsorption von Cobalamin. Wenn die Erkrankung längere Zeit andauert werden die Körperreserven aufgebraucht und die Serumkonzentration von Cobalamin fällt. Auch bei diffusen Darmerkrankungen kann es zum Cobalaminmangel kommen wenn das Ileum vom Krankheitsprozess betroffen ist. Schließlich kann es bei einer bakteriellen überwucherung des Dünndarms (SIBO) beim Hund zum Cobalaminmangel kommen, da viele Bakterien Cobalamin verbrauchen und damit mit dem Dünndarm um das in der Nahrung enthaltene Cobalamin konkurrieren.
Cobalamin hat nicht nur diagnostische Bedeutung. Beim Menschen kommt Cobalaminmangel häufig vor und ist mit mehreren systemischen Veränderungen verbunden. Bei Hund und Katze kann Cobalaminmangel zu den gleichen Veränderungen führen. Daher sollte die Cobalaminkonzentration im Serum bei allen Hunden und Katzen mit chronischen gastrointestinalen Störungen gemessen, und wenn vermindert, behandelt werden.3
Alpha1-Proteinase Inhibitor (α1-PI) Konzentration im Kot
Die Messung der α1-Proteinasen Inhibitor Konzentration im Kot eignet sich im Gegensatz zur Bestimmung der 51Cr-EDTA im Kot zum routinemässigen Einsatz zum Nachweis einer Gastroenteropathie mit Proteinverlust in der täglichen Praxis. Die physiologische Funktion des Alpha1-Proteinase Inhibitors (α1-PI) ist die Inaktivierung verschiedener Proteinasen im Körper. Aufgrund seiner Funktion der Proteinasehemmung ist es selbst verdauungsresistent. Gelangt α1-PI in den Gastrointestinaltrakt, passiert es diesen unbeschadet und kann mittels eines Immunassays in der Kotprobe quantitativ erfasst werden. Da dieses Protein eine ähnliche Molekularmasse wie Albumin aufweist, ist die Bestimmung dieses Parameters klinisch relevant. Assays zur Bestimmung der felinen oder kaninen α1-PI Konzentration im Kot sind derzeit nur über das GI Labor an der Texas A&M Universität verfügbar (www.cvm.tamu.edu/gilab).
Der Nachweis von erhöhten α1-PI Konzentrationen im Kot kann auf Proteinverlust hinweisen, noch bevor klinische Zeichen sichtbar sind. Er sollte daher insbesondere bei Hunden mit einer ungeklärten Hypalbuminämie durchgeführt werden. Auch junge Tiere, die zur Zucht verwendet werden sollen und die Hunderassen angehören, die eine genetische Prädisposition für Proteinverlustenteropathie (PLE) haben, können mithilfe dieses Tests untersucht werden, bevor klinische Anzeichen einer PLE einsetzen. Betroffene Rassen sind u. a.: Norwegische Lundehunde, Soft Coated Wheaten Terrier, Yorkshire Terrier, Basenji und Shar Pei.
Kotproben (jeweils 1g) von drei aufeinanderfolgenden Defäkationen werden in spezielle, vom Referenzlabor vorgewogene, Röhrchen gesammelt und unverzüglich tiefgekühlt. Ein erhöhter Wert in einer einzelnen dieser Proben, oder ein erhöhter Mittelwert der drei Proben, ist diagnostisch für einen erhöhten Proteinverlust in den Magen-Darm Trakt.
Funktionstests zur Untersuchung der Leber
Gallensäuren
Gallensäuren sind Abbauprodukte von Cholesterin, die in der Leber synthetisiert und konjugiert werden. Beim Hund werden primäre Gallensäuren mit der Aminosäure Glycin, bei der Katze mit der Aminosäure Taurin konjugiert. Diese konjugierten Gallensäuren werden dann mittels der Galle ausgeschieden und ermöglichen im Dünndarm die Emulsifikation von Fetten, ohne die eine Fettaufnahme nicht möglich ist. Ein Grossteil der Gallensäuren wird im Ileum reabsorbiert und bereits während dem ersten Durchfluss des Portalbluts durch die Leber fast gänzlich von den Hepatozyten aufgenommen.
Gallensäuren im Serum werden als gesamte Gallensäuren (konjugierte und unkonjugierte) mittels verschiedener Assays bestimmt. Dabei wird in der Regel zunächst ein Fastenwert gemessen. Danach wird eine kleine Menge eines fettreichen Futters zur Stimulation der Gallenblase gegeben und die Serumkonzentration der gesamten Gallensäuren 2 Stunden später noch einmal bestimmt. Eine geringgradig erhöhte Gallensäurenkonzentration im Serum nach einer Fastenperiode und ein stark erhöhter Stimulationswert deuten auf einen portosystemischen Shunt hin. Dagegen deuten 2 erhöhte Werte auf Leberversagen hin. Dies liegt daran, dass bei einem portosystemischen Shunt das Blut früher oder später an den Hepatozyten vorbeiströmt und die Gallensäuren dann durch die Hepatozyten aufgenommen werden können. Dagegen strömt das Portalblut bei Leberversagen an den Leberzellen vorbei, diese können jedoch die Gallensäuren nicht mehr aufnehmen. Leider sind diese Stimulationsbilder nicht absolut und Patienten mit portosystemischen Shunts können ein Leberversagen vortäuschen und umgekehrt.
Ammoniak
Ammoniak ist ein Abfallprodukt im Proteinstoffwechsel und wird in der Leber zu Harnstoff entsorgt. Daher kommt es bei Leberversagen zur Ansammlung von Ammoniak im Blut. Ammoniak kann im Plasma gemessen werden. Eine erhöhte Ammoniakkonzentration im Plasma deutet auf Leberversagen oder einen portosystemischen Shunt hin. In den Niederlanden wurde vor kurzem eine Studie veröffentlicht, die beschreibt, dass die Messung der Ammoniakkonzentration im Plasma der Bestimmung der Gallensäuren im Serum bei der Diagnose von portosystemischen Shunts überlegen ist.4 Weitere Studien werden jedoch notwendig sein um diese Frage abschließend zu bewerten. Allerdings sind in den letzten Jahren neue Geräte auf den Markt gekommen, die eine Bestimmung der Ammoniak-konzentration im Plasma auch in der privaten Praxis ermöglichen.
Funktionstests zur Untersuchung des Exokrinen Pankreas
Lipasen- und Amylasenaktivität im Serum
Lipasen- und Amylasen-aktivität im Serum werden seit mehreren Jahrzehnten zur Pankreatitisdiagnose beim Mensch und Hund herangezogen. Leider sind beide Assays nicht pankreas-spezifisch. Des Weiteren sind beide Assays nicht besonders sensitiv und eine Messung der PLI Konzentration ist bei weitem verlässlicher. Bei der Katze sind die Amylasen- und Lipasenaktivität zur Diagnose einer Pankreatitis weitgehend nutzlos.
Trypsin-gleiche Immunreaktivität im Serum
Die Bestimmung der Trypsin-gleichen Immunreaktivität (TLI) im Serum stellt sowohl beim Hund als auch bei der Katze der Goldstandard für die Diagnose der exokrinen Pankreasinsuffizienz (EPI) dar. Beim Hund sind mehrere Assays kommerziell erhältlich. Das am häufigsten verwendete Assay ist ein Radioimmunassay (DPC, Los Angeles, CA) mit einem Referenzbereich von 5,7 - 45,2 μg/L. Dabei ist wichtig festzustellen, dass EPI nur dann diagnostiziert werden kann, wenn die TLI im Serum < 2,5 μg/L beträgt. Bei Patienten bei denen der Serum TLI Wert zwischen 2,5 und 5,7 μg/L liegt, kann zwar eine EPI vorliegen. In den meisten Fällen leiden diese Tiere jedoch an chronischen Erkrankungen des Dünndarms. Für die Katze steht derzeit nur ein Assay zur Bestimmung der fTLI zur Verfügung, welches in der Literatur validiert wurde (Gastrointestinallabor, Texas A&M Universität; www.cvm.tamu.edu/gilab).
Pankreatische Lipase Immunreaktivität (PLI)
Im Gegensatz zur Lipasenaktivität im Serum misst dieses Assay nur Lipase, die von den Azinuszellen des exokrinen Pankreas synthetisiert wurde. Serum PLI (beim Hund durch Spec cPL® und bei der Katze durch Spec fPL® bestimmt) ist hochspezifisch für die exokrine Pankreasfunktion und ist außerdem hochgradig sensitiv (Sensitivität 82% beim Hund) für Pankreatitis bei beiden Spezies.5 Des Weiteren wird PLI im Serum nicht durch Nierenversagen, Gastritis oder die Verabreichung von Prednison beeinflusst, so dass diese Assays auch bei diesen Patienten zum Einsatz kommen kann.
Seit kurzer Zeit ist nun auch ein Assay zur Anwendung am Patienten erhältlich, SNAP cPL. Dieses Assay ist semiquantitativ und sollte zum Ausschluss einer Pankreatitis bei Patienten mit akuten Krankheitssymptomen verwendet werden. Wenn der SNAP cPL positiv ist so sollte auch die Spec cPL Konzentration im Serum bestimmt werden um die Diagnose zu bestätigen und um den Verlauf der Erkrankung mittels wiederholter Spec cPL Messungen verfolgen zu können.
References
1. Dali-Youcef N, Andrès E. An update on cobalamin deficiency in adults. QJM 2009; 102:17-28.
2. Steiner JM. Exocrine pancreas. In: Steiner JM. ed. Small Animal Gastroenterology. Hannover: Schlütersche-Verlagsgesellschaft mbH, 2008;283-306.
3. Ruaux CG, Steiner JM, Williams DA. Early biochemical and clinical responses to cobalamin supplementation in cats with signs of gastrointestinal disease and severe hypocobalaminemia. J Vet Int Med 2005; 19:155-160.
4. Gerritzen-Bruning MJ, Van den Ingh TSGA, Rothuizen J. Diagnostic value of fasting plasma ammonia and bile acid concentrations in the identification of portosystemic shunting in dogs. J Vet Int Med 2006; 20:13-19.
5. Forman MA, Marks SL, De Cock HEV, et al. Evaluation of serum feline pancreatic lipase immunoreactivity and helical computed tomography versus conventional testing for the diagnosis of feline pancreatitis. J Vet Int Med 2004; 18:807-815.